Das Leben in die eigene Hand nehmen – Teil 10: Süchte und tiefe oder oberflächliche Sehn-Süchte

Das Leben in die eigene Hand nehmen – Teil 10: Süchte und tiefe oder oberflächliche Sehn-Süchte

In dieser Artikelserie (hier finden Sie Teil 1 und hier Teil 9) geht es um das bewusste Gestalten des eigenen Lebens und die Gründe, warum das oft so schwer ist. Im letzten Teil ging es um die Struktur des Gehirns, die trotz aller Nützlichkeit der Handlungsfreiheit oft im Wege steht. Heute geht es um Sehnsüchte. Vielleicht ist dies der wichtigste Teil der Artikel-Serie. Denn wenn ich meine Sehnsüchte verstehe, ist es sehr viel leichter, in meinem Leben wirklich dorthin zu kommen, wo ich sein möchte.

Die folgende Darstellung ist eine Vereinfachung. Aber sie ermöglicht, dass ich bestimmte Punkte klarer sehen kann. Wir alle wünschen uns etwas – Dinge, innere Zustände, Umstände im Außen. Alles, was ich mir wünsche, kann ich in zwei Kategorien unterteilen:

  1. Authentische Sehnsüchte
  2. Oberflächliche Sehnsüchte, die sich wiederum unterteilen in
  • Ersatzbefriedigungen
  • Süchte

Was ist der Unterschied?

Der Verfolgen und Erfüllen meiner authentischen Sehnsüchte führt mich zu nachhaltigem Lebensglück und Zufriedenheit. Es wird dazu führen, dass ich auf meinem Sterbebett sagen kann: Das habe ich in diesem Leben gesucht – dafür hat es sich gelohnt.

Die oberflächlichen Sehnsüchte sind eine Art Symptombehandlung: Ich halte mich mit ihnen über Wasser. Sie helfen mir, den Alltag zu überstehen, aber sie führen nur zu kurzen Glücks- und Zufriedenheitsgefühlen. Nach der Befriedigung von oberflächlichen Sehnsüchten bin ich eine Zeit lang glücklich – zufrieden – ruhig – satt oder ähnliches. Aber danach kommt immer eine Art „Down“. Das Glücksgefühl hält nicht lange. Oft falle ich in ein Loch. Und brauche die nächste „Dosis“.

Harmlose oberflächliche Sehnsüchte versüßen mir den Alltag. Auch sie haben ein „Down“, aber es ist nicht so schlimm. Ich werde zwar nicht nachhaltig und dauerhaft glücklich, aber ich füge mir auch keinen großen Schaden zu. Ich nenne sie Ersatzbefriedigungen. Beispiele sind der Kaffee am Nachmittag, Entspannung beim Fernsehen am Abend, Computerspielen um abzuschalten, der Jahresurlaub, Ausgehen, mir etwas Schönes kaufen und ähnliches.

Schwerwiegendere oberflächliche Sehnsüchte sind Süchte. Ich habe das Gefühl, ich kann nicht ohne sie auskommen. Alles, was scheinbar für mein Lebensglück unersetzlich ist, mich aber trotzdem nicht dauerhaft glücklich macht, fällt in diese Kategorie. Drogen, zu viel Alkohol, zu viel arbeiten, Beziehungs-Abenteuer, regelmäßig zu viel essen, stundenlanges Fernsehen, viel Geld ausgeben, Glücksspiel und ähnliches. Ich bekomme kurz einen „Kick“ – einen Energie-Schub, tröste mich, habe Spaß, bin zufrieden oder happy. Aber irgendwann kommt der „Kater“. Oft ein schlechtes Gewissen, das Gefühl, es reicht nicht, der Rest des Lebens ist dröge, warum ist der Effekt schon vorbei? Nach einer gewissen Down-Phase suche ich eine neue Dosis.

Oberflächliche Sehnsüchte überdecken den Schmerz erlittener Verletzungen. Sie sind nicht wirklich das, was ich möchte. Wenn ich unangenehme Erfahrungen gemacht habe – leichte bis traumatische – dann verliere ich oft den Kontakt zu meinen wirklichen Wünschen oder das Vertrauen, meine tatsächlichen Wünsche erreichen zu können. Alle Ersatzbefriedigungen und Süchte in Ihrem Leben überdecken Schmerz. Daher ist es so schwer, sie loszulassen. Sie sind eine Krücke. Ablegen kann ich diese Krücke erst, wenn der ursprünglich Schmerz anfängt zu heilen.

Meine authentischen Sehnsüchte kann ich nur spüren, wenn ich einigermaßen bei mir und im Vertrauen bin. Manchen von uns fehlt dieser Zustand ganz. Wer ihn besitzt, setzt seine authentischen Sehnsüchte entweder schon um oder ist sich ihrer – mehr oder weniger – bewusst, traut sich aber noch nicht so ganz, sie umzusetzen.

Oberflächliche Sehnsüchte sind nichts Schlechtes. Im Gegenteil – in den meisten Fällen sind sie überlebenswichtig. Sie sind ein Hilfsmittel für einen bestimmten Teil meines Weges. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, zu dem ich mir nachhaltig Glück wünsche und bereit bin, Ängsten und Blockaden ins Auge zu blicken (denn das ist das einzige, was mich von meinem Glück abhält – niemals das Außen – immer die eigenen inneren Blockaden), dann kann ich oberflächliche Sehnsüchte achtsam und annehmend zu beobachten beginnen.

Wie fühlt es sich an, wenn ich das tue? Wie fühle ich mich vorher? Hinterher? Was geht hier vor? Schritt für Schritt beginne ich zu verstehen. Gleichzeitig kann ich in mich hinein spüren, was von meinen Sehnsüchten authentisch sein könnte. Fühle ich mich lebendig, wenn ich dies tue? Habe ich Angst davor? Hat mein Verstand Bedenken? Habe ich ein Kribbeln im Bauch? Bin ich aufgeregt – fast als wäre ich verliebt? *Weiß* ich mit großer Bestimmtheit, dass es *das* ist? All dies sind gute Hinweise darauf, dass es sich um eine authentische Sehnsucht handelt. Letzlich hilft nur ausprobieren: Wenn ich dieser Sehnsucht folge – macht mich das nachhaltig und in der Tiefe zufrieden?

Beispiele von mir selbst sind das Coachen und Seminare halten – wenn ich sehe, wie sich Menschen verändern und beginnen, sich selbst in einem neuen Licht zu sehen, dann empfinde ich eine tiefe, unbeschreibliche Freude – das Gefühl: Wenn ich jetzt sterben würde, wäre es ok. Es hat sich gelohnt. Ebenso in bestimmten Momenten, wenn ich meinen Sohn beobachte oder meinen Mann ansehe. Manchmal passiert es mir beim Autofahren, beim Betrachten des Lichtes in den Bäumen, am Himmel oder in der Umgebung. Ganz selten kann ich es spüren, einfach nur beim „sein“ – ich habe das Gefühl, ich könnte die ganze Welt umarmen – es ist alles perfekt. Oh – hm – ich hatte es sogar schon beim Blick in den Spiegel. Wenn ich das vergleiche mit dem früheren „Oh-Gott-wie-siehst-Du-wieder-aus“, dann ist das wirklich ein Fortschritt.

Das Erkennen, dass es ein inneres Sehnen gibt, das mich genau dahin führt, wo ich sein möchte und das Beobachten, was ich im Alltag verwende, um mir kurzen Genuß zu verschaffen (der mich aber nicht nachhaltig glücklich macht), ist der erste Schritt hin zu dieser dauerhaften, tiefen Zufriedenheit. Ich würde das inzwischen auch nicht mehr „Glück“ nennen. Pure Freude trifft es eher, wobei manchmal sogar die Freude fehlt. Es ist einfach – perfekt. Genau. Mann oh Mann das hat aber gedauert bis Du das gefunden hast – es ist so einfach – ich war doch die ganze Zeit hier.

Das authentische Sehnen kann im Übrigen den Kaffee umfassen, die Schokolade, den Wein, das Abenteuer, das neue Outfit, den Film am Abend. Der Kaffee oder das neue Outfit sind jedoch nicht die Ursache, ja noch nicht einmal der Auslöser. Auch mein Sohn, mein Mann oder meine Arbeit sind nicht die Ursache für das wow-ich-hab’s-gefunden Gefühl. Trotzdem hat mich das innere Sehnen dorthin geführt, d.h. es macht sehr viel Sinn, diesem Sehnen zu folgen. Durch das Suchen von „etwas“ finde ich letztlich einen Zustand. Irgendwann brauche ich dann kein „etwas“ mehr, um diesen Zustand zu erreichen.

Hier ein kleiner Überblick, um das authentische Sehnen von oberflächlichen Sehnsüchten unterscheidet.

  • Meine authentische Sehnsucht
  • Führt mich zu dem, was ich wirklich suche
  • Führt zu nachhaltiger, tiefgehender und dauerhafter Freude
  • Hat keine negativen Nebeneffekte (außer ev. Neid, Ärger oder Unverständnis bei anderen Menschen)
  • Fühlt sich lebendig an – machmal wie ein Kribbeln, machmal wie „verliebt sein“
  • Ist oft mit Ängsten verbunden
  • Ist oft von inneren Blockaden verdeckt – bis zur Unsichtbarkeit
  • Führt mich zum meinem vollen Potential
  • Führt zu Veränderungen – in mir und in meinem Leben

Meine oberflächlichen Sehnsüchte

  • Führen zu einer vorübergehenden Schein-Befriedigung
  • Führen nicht dauerhaft und nachhaltig zu Freude, sondern haben hinterher ein „Down“
  • Haben negative Nebeneffekte – gesundheitlich, emotional, energetisch
  • Fühlen sich erst gut an, nach einer Weile oft schlecht
  • Erfordern Willensstärke oder Bewusstheit, um ihnen zu widerstehen – ich habe das Gefühl, ich brauche sie unbedingt, ich kann nicht ohne
  • Führen bei Verweigerung manchmal zu Aggression
  • Erzeugen manchmal einen inneren Kampf
  • Erscheinen manchmal stärker als ich selbst
  • Verdecken mein Potential
  • Erhalten den Status-Quo

Folgen Sie dem inneren Sehnen (und schimpfen Sie sich nicht für ausgelebte oberflächliche Sehnsüchte) – ich kann Ihnen gar nicht beschreiben, wie sehr sich das lohnt.

Und hier geht es weiter zum nächsten Teil: Gelernte Lösungen – „funktionale Gebundenheit“.

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