Der Kita-Streik – 8 Tipps für gestresste Eltern

Ich sitze hier – nicht wie sonst bei konzentrierter Ruhe an meinem Schreibtisch, sondern am Küchentisch, um zeitnah mitzubekommen, wenn mein kleiner kreativer Sohn gefährliche, gesundheitsschädliche oder wohnungsgefährdende Ideen bekommt. Wie bei vielen Eltern in diesen Tagen ist der Grund der Kita-Streik.

Nach drei Wochen und ohne ein Ende in Sicht definitiv eine Herausforderung (das iPad quäkt – „Heeelloooooo – here is Schtammmmmbiiiiiiii“ in einer erstaunlich hohen Stimmfrequenz und mit einer Fröhlichkeit, die mich vermuten lässt, dass der gute Mann aus dem Video, das gerade läuft, etwas nicht ganz legales eingeworfen haben muss – oder führen diese Spiele, über die er spricht, unweigerlich zu dieser Grundstimmung? Ich sollte Lukas das iPad vielleicht doch wegnehmen…“

*Stop* … konzentriere Dich auf den *Newsletter*.

Wo waren wir? Herausforderung. Da ich den Umgang mit Herausforderungen coache, sollte ich auch zum Kita-Streik etwas Kluges von mir geben können.

Hier mein Lösungsansatz:

„Lukas, wir gehen jetzt ins Rathaus und treten dem gesamten Stadtrat und dem Bürgermeister in den Hintern.“

Das umschreibt ziemlich genau meine Stimmung. Es ist politisch unkorrekt, prinzipiell zwar völlig angemessen (dazu stehe ich), aber leider nicht wirklich pazifistisch. Vermutlich ist es nicht zielführend und als Coaching Vorschlag auch nicht wirklich geeignet.

Gewissermassen gehört es aber zu meinem Rezept dazu – siehe weiter unten, Punkt 4.   Fangen wir jedoch am Anfang an – es folgen meine Tipps im Umgang mit dem Kita-Streik (bzw. im Umgang mit ähnlichen widrigen Umständen):

„Mamaaa? Guck mal. Ich habe schon ganz viel Diamanten. Magst Du mal gucken?“

„Gleich, Lukas, lass mich den… ach was soll’s…“ – „Ja, ganz toll, Lukas, soooo viel Diamanten.“

Wo waren wir? Tipps:

1. Annemen!

Macht das „Annehmen“ auch in dieser Situation Sinn? Ja, auch hier – und gerade hier – hilft die innere Haltung des Annehmens. Das heißt aber nicht: Erdulden. Es heißt: Es ist gerade so. Sehen Sie dieser Tatsache ins Auge. Jammern hilft nichts – nehmen Sie es, wie es ist. In meinem Fall:

  • Lukas ist jeden Tag zu Hause.
  • Ich kann weniger arbeiten.

Hm. Wenn ich das so sehe, ist das eigentlich gar keine Katastrophe. Das ist ja wie Urlaub.

!!!

Aus dieser Einsicht folgt:

2. „Reframing“ – eine andere Perspektive einnehmen

Wenn ich es schaffe, eine annehmende Haltung einzunehmen, dann fällt es mir leichter, die Situation nicht nur in einem Licht zu sehen, sondern zu erkennen, dass es ganz viele Interpretationen gibt. Wie oben geschehen – die Situation ist nicht nur schlecht (Arbeitsausfall = weniger Geld verdienen = potentiell eine mittlere Katastrophe), sondern hat auch positive Seiten.

Wenn ich mir diese verschiedenen Interpretationen ansehe, dann kann ich mir bewusst eine auswählen. Ich habe bewusst gewählt, die Situation nicht als schlimm zu interpretieren, sondern sie als Geschenk zu betrachten. Ich darf mehr Zeit mit meinem Kind verbringen. Und es macht tatsächlich Spaß. Ich muss allerdings konsequent bei auftauchenden Sorgen („Oh Gott, das geht alles so langsam – das Mailfach quillt über – der Newsletter ist seit einer Woche nicht raus – wie soll ich den Vortrag in Ruhe vorbereiten? – Die Steuer muss ich auch noch machen – und wenn die noch Wochen weiterstreiken? Oh Gott, mir wird ganz schlecht“) einen tiefen Atemzug nehmen und mich wieder auf das konzentrieren, was ich gerade tue. Sorgen helfen nicht. Die Situation ist so wie sie ist (Annehmen) – wie will ich damit umgehen? Das heißt: Die Perspektive erweitern und bewusst wählen.

3. Bei Sorgen: Fokus auf das, was ist

Die oben beschriebene grundlegende Achtsamkeitsübung wende ich immer dann an, wenn meine Gedanken in einer negativen Spirale abzudriften beginnen. Also: Ich bemerke, dass in meinem Kopf ein Sorgenkreisel beginnt oder schon am Laufen ist – ich atme tief durch (ev. mehrmals) und ich richte meinen Fokus wieder auf das, was ich gerade tue.

4. Erlauben

Alle Gefühle sind erlaubt. Ärger, Frust, Angst – alles, was auftaucht, ist erlaubt. Selbst verwerfliche oder lächerliche Handlungsimpulse wie das Stürmen der Stadtratssitzung und unethische Aktionen (wobei ich empfehle, nur das Imaginieren und Spüren der Handlungsimpulse zu erlauben und das Ausagieren zu lassen – siehe weiter unten – „nicht zu tief einsteigen“).

Annehmen des Status Quo bedeutet nicht: Ignorieren, dass trotzdem alle möglichen negativen Gefühle auftauchen. Es ist nicht hilfreich, diesen Gefühlen das Steuer zu überlassen (was bedeuten würde, dem Ärger freien Lauf zu lassen). Stattdessen nehme ich wahr: Ja, ich bin wütend. Sogar sehr. Das ist ok. Das ist angemessen – es gibt gute Gründe für meine Wut. Und während ich die Wut wahrnehme, atme ich tief und bewusst ein und aus. Ich konzentriere mich auf den Atem, auf das Auf und Ab von meinem Bauch. Ich lasse die Wut mit dem Atem durch mich hindurchfließen wie durch einen Schornstein.

Wenn es zu viel wird, darf die Wut auch raus. Ich schimpfe, ich schmiede Pläne, was ich mit xy am liebsten tun würde, ich explodiere eventuell sogar. Der Dampf muss irgendwohin. Manchmal reicht das Atmen – manchmal jedoch auch nicht. Ich versuche zu vermeiden, zu tief in das negative Gefühl einzusteigen. Dann raubt es mir Energie und die brauche ich gerade dringend für andere Dinge.

5. Hilfe annehmen und aktiv erbitten

Wenn Sie Hilfe angeboten bekommen: Um Himmels Willen, nehmen Sie sie an. Manche Menschen können dies bereits, aber viele zögern. Ich muss zugeben: Meine Nachbarin hat mir spontan Hilfe angeboten und ich habe nicht sofort begeistert jajaja! gesagt. Es fällt selbst mir immer noch schwer, solche Angebote anzunehmen. Aber wenn man in Bedrängnis ist, ist es völlig ok, solche Hilfsangebote anzunehmen (sogar wenn man *nicht* in Bedrängnis ist – wenn mir jemand etwas von Herzen anbietet – annehmen! Es ist gut für uns beide.

Und wenn Sie keine Hilfe angeboten bekommen und welche brauchen, dann erfragen Sie Hilfe. Bei allen, die Ihnen einfallen. Der andere kann „nein“ sagen, wenn er nicht mag oder kann. Aber fragen Sie zumindest!

Beides ist eine wunderbare Selbstliebe-Übung. Sie schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie bekommen ev. Unterstützung und Sie tun etwas sehr Wertvolles für sich. Aktiv etwas annehmen löst eine Blockade, die viele von uns haben. Je mehr ich an dieser Stelle übe, desto mehr Fülle habe ich in meinem Leben.

6. Humor behalten

Ohne geht es nicht. Humor kann man schwer üben. Aber ich kann bewusst wählen, meinen Humor zu behalten. Notfalls Galgenhumor.

„Hoffentlich streiken sie noch länger – wir kommen endlich dazu, die Wohnung mal richtig gründlich aufzuräumen.“

„So eine Ausnahme-Situation ist etwas Tolles. Ich kann ausprobieren, wie lange es dauert, bis tatsächlich Klienten oder Kunden weglaufen. Spannend.“

„Mein Chef hat heute einen sehr interessanten Gesichtsausdruck gehabt, als ich Mona/Jeanette/Markus/Samuel schon wieder dabei hatte. Ich glaube, er findet es toll, dass ich mich auf so viele Sachen gleichzeitig konzentrieren kann. Morgen schaut er bestimmt genauso begeistert.Vielleicht sollte ich das Nachbarkind auch noch mitnehmen?“

„Ich muss eigentlich gar nicht mehr arbeiten. Mein Sohn hat ja schon soooo viele Diamanten.“

Nicht unterkriegen lassen – lachen Sie der Katastrophe ins Gesicht. Es fühlt sich wirklich besser an als Stöhnen und Jammern.

7. Stress reduzieren

Stress entsteht nur scheinbar durch äußere Umstände (nur scheinbar durch den Streik). Diese Behauptung erscheint Ihnen vielleicht erst einmal merkwürdig. Hier gibt es eine längere Erklärung dazu. An dieser Stelle lasse ich die Behauptung einfach so stehen und lade Sie ein, es auszuprobieren: Selbst extreme Situationen kann ich meistern, wenn ich „von Innnen“ arbeite: Zum Beispiel – Was kann ich streichen? Ich muss nicht alles erledigen – ich kann momentan gar nicht.

  • Streichen Sie alles, was nicht essentiell ist. Extremsituationen haben die wunderbare Eigenschaft, mir zu zeigen, was wirklich wirklich essentiell in meinem Leben ist. Konzentrieren Sie sich bewusst auf das absolut wichtige und nötige – und trauen Sie sich, einen Großteil des Restes wegzulassen, auch wenn es erst einmal Ihre Komfortzone beeinträchtigt.
  • Machen Sie morgens in 5 Min einen 5-Punkte-Plan – was muss heute unbedingt erledigt werden? Dann konzentrieren Sie sich immer auf das, was gerade aktuell ist. Beim Abwasch – der Abwasch. Beim Newsletter schreiben – der Newsletter. Unterbricht Sie ihr Kind und es ist wichtig – dann ist jetzt das Kind dran. Ansonsten vertrösten Sie es und fokussieren Sie wieder auf die Arbeit. Brauche ich jetzt einen Kaffee? Dann ist jetzt der Kaffee dran. 100%. Und wenn Sie abends nur drei der wichtigen Punkte erledigt haben (oder keinen – ist mir auch passiert) – dann: Tief durchatmen. Es ist wie es ist. Sorgen machen hat gar keinen Sinn. Und mich selber kritisieren, hilft auch nicht. *Es ist gut genug*.

8. „Aber aber aber …“ – Sorgenvolle Einwürfe im Kopf konsequent beenden

Für viele von Ihnen ist die Situation sehr wahrscheinlich heftiger als bei mir. Punkt 1-8 wird Ihnen schwerer fallen. Aber wenn Sie es schaffen, den einen oder anderen Punkt anzuwenden – immer wieder einfach versuchen, es zu tun – dann wird es leichter. Auch in Extremsituationen kann ich durch eine innere Veränderung eine große Erleichterung herbeiführen. Nicht aufgeben – dran bleiben – sich nicht von der Negativität herunterziehen lassen – immer wieder ein Werkzeug aus der Kiste ziehen (Punkt 1-8) und anwenden.

Und noch einmal: Annehmen hat nichts mit Erdulden zu tun. Was auch immer Ihnen einfällt, um Ihre Situation zu verbessern: Tun Sie es. Das können Protestbriefe sein, auf eine Demo gehen, Gebühren zurückfordern, sich mit anderen Eltern zusammenschließen und Arbeit aufteilen, beim Arbeitgeber Zugeständnisse erstreiten… Annehmen heißt nicht: Aufhören zu kämpfen, wenn es notwendig ist. Es bedeutet lediglich: Bewusst machen, wie die Situation ist und dann bewusst wählen: Meinen inneren Zustand und meine äußeren Handlungen.

Ich wünsche Ihnen starke Nerven – für den Streik oder für Ihre persönliche Herausforderung – Gelassenheit und Durchhaltevermögen. Mögen wir alle an der Situation wachsen (wobei ich doch zu gerne zu meiner anfänglichen Idee zurückkehren würde… verdient hätten sie es, finde ich… ich vermute, ich muss erst noch über diverse kindliche Lösungsversuche hinauswachsen… au weia… und das mir als Trainerin für Gelassenheit…).

„Mamaaaa … der Ketchup ist auf’s Sofa gehüpft. Und auf den Teppich. Und auf den Sessel. Oh … jetzt auch auf’s iPad. Es war keine Absicht!!!“

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