Ganz bei mir sein, statt neben mir stehen

Ganz bei mir sein, statt neben mir stehen

Hier kommt wieder einmal eine gnadenlose Vereinfachung. Aber sie bringt das, worum es geht, wunderbar auf den Punkt. Achtsamkeit bedeutet:

  • Ganz bei mir zu sein
  • Bewusst wahrzunehmen, wann ich neben mir stehe
  • Um immer öfter den Schritt zu mir zurück tun zu können

Wenn ich „ganz bei mir“ bin, habe ich entweder die Lösung oder die Lösung wird ganz einfach. Ich kann meine innere Sehnsucht spüren (oder bin sogar schon da). Das Leben wird in diesem Zustand lächerlich einfach (ok – anfangs nur „sehr viel einfacher“ – aber das ist ja auch schon etwas. Aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem man „ganz bei sich ist“ und ins Schmunzeln kommt – weil es tatsächlich lächerlich einfach ist).

Wenn ich „neben mir stehe“ – leider oft der Normalzustand – dann ist es schwierig, anstrengend, ich muss mich abstrampeln, ich sehe oft keine Lösung und richtig wohl fühle ich mich auch nicht (wenn ich überhaupt etwas fühle).

Natürlich gibt es beliebig viele Zwischenzustände (es ist ein Kontinuum). Die Vereinfachung schärft den Blick. Im Grunde geht es „nur“ darum zu erkennen, ob ich gerade „neben mir stehe“ und dann einen tiefen Atemzug zu nehmen, um wieder „ganz zu mir zurück zu kommen“.

Eine Übersicht über beide Zustände:

Ganz bei mir sein bedeutet:

  • Ich bin bewusst und stecke nicht in einem Muster.
  • Ich kann mich gut fühlen – meinen Körper, meine Gefühle, meine Empfindungen.
  • Ich bin mit mir und meiner Umwelt im Reinen.
  • Ich fühle mich ausgeglichen, in Balance, wohl.
  • Ich habe ein gesundes Selbstwertgefühl, ich mag mich.
  • Ich kann gut fühlen, was ich brauche.
  • Ich habe vollen Zugriff auf alle meine Ressourcen – Gedächtnisinhalte, Problemlösefähigkeit, Kreativität, Intuition.
  • Ich kann verschiedene Handlungsoptionen abwägen, ich bin relativ frei in meinen Entscheidungen.
  • Mein Kopf ist klar.

Neben mir stehen bedeutet:

  • Ich stecke in einem Aspekt, einer Rolle, einem Muster.
  • Oft bin ich mir nicht bewusst (mit Übung kann ich bewusst wahrnehmen, dass ich gerade „stecke“).
  • Ich nehme nicht so gut wahr, was ich fühle (Körper, Gefühle, Empfindungen) – ev. nur ein starkes (meist negatives) Gefühl.
  • Ich bin unzufrieden – entweder mit mir oder mit jemand/etwas anderem – oder mit allem.
  • Ich bin nicht ausgeglichen – ich fühle ein starkes negatives Gefühl oder „nichts“, bin gelangweilt, wie gelähmt, ohne Energie, wie taub oder durcheinander.
  • Ich mag mich in diesem Zustand oft nicht.
  • Ich weiß oft nicht, was ich brauche oder fühle mich zu etwas hingezogen, was mir nicht gut tut.
  • Der Zugriff auf meine Ressourcen ist beeinträchtig – ich bin nicht so kreativ, intuitiv wie sonst, ich kann weniger klar denken und bestimmte Dinge fallen mir nicht ein.
  • Ich „laufe wie auf Schienen“ – oft sehe ich keinen Ausweg oder nur eine Lösung – die aber nicht funktioniert.
  • Gedankenkreisen

Nicht alle obigen Punkte müssen zutreffen. Wichtig sind das Nicht-Wohlfühlen und der Tunnelblick (mir fehlen die Handlungsoptionen).
Wir befinden uns im Alltag häufig „neben uns“. In vielen Fällen ist die Lösung (um ein Problem zu beseitigen oder um mich wohlzufühlen) das Zurückkehren zum „ganz bei mir“. Natürlich ist dies nicht so einfach – sonst würden wir alle schon durch das Leben tanzen und uns nicht mit völlig absurden, schmerzhaften, unangenehmen oder nervigen Ereignissen im Alltag herumschlagen müssen.

Ursachen für „neben mir stehen“ finden Sie in der Artikelserie „das Leben in die eigene Hand nehmen„. Das Entdecken meiner zwei grundlegenden inneren Zustände ist der erste Schritt zum Erhöhen des Auftretens von „bei-mir-sein“. Alle Achtsamkeitsmethoden dienen diesem Zweck. Es geht darum, die „Ich-stehe-neben-mir-Anteile“ von mir selbst, die mir am hartnäckigsten das Leben schwer machen, zu erkennen. Wenn ich einmal verstanden habe, wie ich so einen Anteil von mir selbst (der mich regelmäßig „neben mir“ stehen lässt) „heilen“ kann (besser wäre der Ausdruck: „zurückholen“), dann fällt es mir leichter und leichter, diese Störenfriede einzufangen. Der Effekt: Genau. Mehr und mehr Zeit meines Lebens im „ganz-bei-mir“-Zustand.

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