Selbstliebe – wieso fehlt mir da etwas?
Ich könnte ad infinitum über dieses Thema reden, weil es so unglaublich wichtig ist. Woher kommt ein Mangel an Selbstliebe? Ich behaupte, dass jeder von uns sich noch viel viel mehr lieben könnte. Dass jeder von uns alles an sich selbst 100% wertschätzen könnte, völlig in sich ruhen und ganz und gar mit sich zufrieden sein könnte.
Wenn das nicht der Fall ist – wenn es noch Moment gibt, in denen ich mich abwerte, mich ablehne oder gar schäme, dann habe ich einen Mangel an Selbstliebe. Woher kommt das? Warum werten wir uns überhaupt ab, das müsste ja eigentlich nicht sein?
Ich glaube, dass die meisten von uns mit großer Selbstliebe auf die Welt kommen. Dass wir uns, wenn wir klein sind, annehmen und wertschätzen. Dass wir gar nicht auf die Idee kommen, irgendetwas an uns schlecht zu finden.
Aber da gibt es die Ecken und Kanten… das Leben ist herausfordernd, wir machen die Erfahrung, dass es weh tun kann. Manchmal schaffe ich nicht, was ich schaffen möchte. Manchmal werde ich kritisiert und bewertet – selbst, wenn das nicht böse gemeint ist, kann es dazu führen, dass ich nicht mehr alles an mir ganz natürlich annehme, sondern lerne, mich selber kritisch zu beobachten. Ich lerne, dass ich nicht völlig ok bin – sondern nur dann, wenn ich mich so und so verhalte und das und das erreiche.
Wenn ich mit Essen werfe, bin ich nicht ok. Eigentlich schon – aber das Schimpfen der Mutter betrachte ich nicht als Kritik an meinem Verhalten, sondern als Kritik an mir. Und ich werde auch unfair kritisiert. Das wunderbare Bild, mit dem ich mir so viel Mühe gegeben habe, bekommt nur eine 3. Paul ist im Turnen besser als ich. Paula kann schon ihre Schnürsenkel binden. Ich weiß, dass Du das besser kannst – wie kann man nur so tolpatschig sein – ich habe Dir 1000x gesagt … Du hörst nie zu.
Später dann: Du denkst nur an Dich. Wir beenden diese Beziehung besser, Du kannst Dich nicht wirklich in mich hineinversetzen. Die Stelle passt leider nicht ganz auf Ihr Profil. Oder direkte Angriffe und Verletzungen. Du Versager. Du Depp. Du …
Was wir im Außen erfahren, wiederholen wir fatalerweise im Innen. Wir tun uns selbst an, was wir im Außen erlebt haben. Ich bin ein Versager. Paula ist besser als ich. Er hat mich verlassen – ist ja auch verständlich, ich bin nicht so einfühlsam – so attraktiv – so klug – „bitte den persönlichen Favoriten hier einsetzen“ wie XYZ. Streng Dich mehr an. Mach das besser. Wenn Du das schaffst, wirst Du glücklich sein.
Kleine und große Verletzungen und unzählige Erfahrungen mit Bewertung und Kritik vermitteln mir: Ich bin ganz und gar nicht 100% ok so wie ich bin. Nur wenn ich mich ändere – verbessere – an mir arbeite, dann verdiene ich Wertschätzung.
In unserer Kultur wird beständig gemessen, gewertet und kritisch beäugt. Hier aufzuwachsen und sich selbst bedingungslos lieben zu können – ohne etwas leisten zu müssen – das würde an ein Wunder grenzen. Uns selbst die liebevollsten Eltern können nicht verhindern, dass wir früher oder später die Erfahrung machen: Es gibt schmerzhafte Erfahrungen. Teilweise sogar sehr sehr schmerzhafte. Durch Schocks und Traumata verliere ich ebenso wie durch Erfahrungen mit Kritik einen Teil meiner natürlichen Liebe zu mir selbst.
Sich selbst nicht 100% wertschätzen können, ist also völlig normal und mehr oder weniger unausweichlich für alle von uns. Aber das heißt nicht, dass das so bleiben muss. Sobald ich erkenne, dass das „eigentlich bin ich ganz ok“ nach oben noch ganz viel Spielraum hat und ich verstehe, warum es so schwierig ist, mich so anzunehmen wie ich bin (ohne dass ich dafür etwas leisten muss), bin ich schon einen Riesen-Schritt weiter.
Wenn Sie möchten, probieren Sie folgende Übung: Nehmen Sie sich die fünf wichtigsten Punkte von Ihrer To-Do-Liste und machen Sie sich ein paar Gedanken darüber, warum Sie das tun. Mache ich das für mich? Damit ich mich besser fühle, es mir besser geht? Bringt mich das zu meinen Zielen? Zu dem, was ich mir wünsche? Oder tue ich es vielleicht für jemand anderen? Um zu gefallen? Um etwas wert zu sein?
Warum um alles in der Welt mache ich das??!
Wenn Ihnen diese Übung gefällt, können Sie sie ausdehnen. Fragen Sie sich immer mal wieder – warum mache ich das? Was gewinne ich, wenn ich das tue?
Es ist eine reine Beobachtungsübung. Ändern Sie erstmal nichts. Sehen Sie die Dinge nur an – was gewinne ich, wenn ich es tue? Und erlauben Sie sich, dass das so ist. Das ist schon ein Teil des: Hey – ich bin *wirklich* genau richtig so wie ich bin.
Und noch eine wunderbare Übung: Suchen Sie sich den Text Ihres Lieblings-Liebes-Liedes heraus. Lesen Sie ihn – und stellen Sie sich vor, dass ist eine Liebeserklärung – von Ihnen an sich selbst.
Und wissen Sie, was das Erstaunliche daran ist? Es ist tatsächlich genau das – eine Liebeserklärung von Ihnen an sich selbst. Jeder Geliebter, den Sie je hatten, hatte nur eine einzige wichtige Aufgabe: Sie daran zu erinnern, sich selbst zu lieben.
Tags:Achtsamkeitsübung, Annehmen
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