Das Leben in die eigene Hand nehmen – Teil 14: Stimmungen
In dieser Artikelserie (hier finden Sie Teil 1 und hier Teil 15) geht es darum, im eigenen Leben „die Zügel in der Hand zu behalten“. In jedem Teil behandeln wir einen der hauptsächlichen Gründe, diese Zügel zu verlieren – und zum Beifahrer zu werden.
Im letzten Teil ging es um Gehirnwäsche. In diesem Teil besprechen wir Stimmungen und Gefühle.
Stimmungen, Gefühle und Emotionen haben wichtige Aufgaben in unserem Leben und sind sind etwas sehr Schönes – oder zumindest können sie dies sein. Allerdings haben viele von uns – ab und zu oder regelmäßig – den Eindruck, von einem Gefühl zur Hilflosigkeit verdammt worden zu sein. Im Titel dieses Beitrags stehen die Stimmungen, weil Gefühle und Emotionen oft so deutlich sind, dass wir merken, dass wir gerade die Kontrolle verloren haben. Ganz natürlich kämpfen wir darum, sie so schnell wie möglich zurückzubekommen. Die Stimmungen möchte ich an dieser Stelle in den Vordergrund stellen, weil wir fast immer in einer sind – und ganz unbewusst von ihr beeinflusst werden.
Sobald Sie anfangen, Ihre Stimmungen bewusst wahrzunehmen, werden Sie merken, wie stark der Blick auf Ihre Welt von Ihrer jeweiligen Stimmung beeinflusst wird. Ich möchte fast behaupten, das, was Sie gerade erleben, hat keine objektive gute oder schlechte Qualität. Die wahrgenommene Qualität eines Erlebnisses hängt zu einem großen Grad von Ihrer Stimmung ab (und von anderen in dieser Serie besprochenen Themen, wie z.B. Denkmustern). Eine Nachricht kann eine gute sein – wenn Sie gerade in guter Stimmung sind. Und wenn Sie dies nicht sind, können Sie dieselbst Nachricht als etwas Schlechtes empfinden. Ihr Partner erzählt Ihnen etwas – und je nach Stimmung empfinden Sie es als etwas Positives oder als etwas Negatives. Die komplette Umkehr von gut zu schlecht ist der Extremfall. Im Alltag ist es oft nur eine subtile Beeinflussung in die eine oder andere Richtung.
Ich möchte Ihnen jedoch an dieser Stelle sehr bewusst machen: Was sie erleben ist nicht das, was „ist“. Es ist eine Interpretation. Diese Interpretation wird von Ihrer Stimmung beeinflusst. Wenn Ihnen dies bewusst wird – jetzt in diesem Moment und mit etwas Glück oder Übung in der Situation selbst – dann können Sie die Interpretation ändern. In einem ersten Schritt im Wahrnehmen: Moment mal – dass ich das, was gerade passiert (in mir oder außerhalb von mir), nicht gut finde – dass muss nicht so sein. Für einen Teil von mir ist es so (für die gerade aktive Stimmung). Aber die Stimmung ist nur ein Teil von mir. Sie ist nicht alles, was ich bin. Der zweite Schritt wäre: Gibt es einen anderen Teil von mir, der das, was gerade passiert, anders interpretieren könnte?
Wenn Sie keinen anderen Teil wahrnehmen, d.h. wenn „das ist doof – unangenehm – schlecht – schädlich etc.“ die einzige Interpretation zu sein scheint, dann können Sie Ihre Phantasie zu Hilfe nehmen: Kann ich mir eine fiktive Person/Figur ausdenken, die das, was gerade passiert, anders interpretieren würde? Wenn Sie sich so eine Person ausdenken können – dann haben Sie gerade einen neuen Anteil von sich selbst erschaffen. Sie können nämlich wählen, diese fiktive Person zu sein (oder so zu tun als ob – was fast dasselbe ist). Es ist erstmal nur ein Beobachtungs- und Imaginationsspiel. Sie können bei Ihrer ursprünglichen Interpretation bleiben („Könnte man auch anders sehen – aber ich finde es im Moment einfach nur BLÖD“). Aber – Sie haben jetzt zumindest eine andere Wahlmöglichkeit. Wenn Sie das Imaginationsspiel öfter durchführen, wird Ihnen immer mehr bewusst, dass Sie tatsächlich die Wahl haben. Die Realität ist nicht einfach „da“. Sie entsteht erst durch Ihre Interpretation, Ihren Umgang damit. Und Ihre Interpretation ist frei. Sie scheint es nicht zu sein – ich sehe förmlich das Heer von aber – aber – aber – ABER!!! in Ihrem Geist auftauchen.
Ich lade Sie daher ein, ein bisschen mir Ihrer Realität zu spielen.
- Versuchen Sie, ab und zu bewusst Ihre Stimmung wahrzunehmen („In was für einer Stimmung befinde ich mich gerade?“. Sie brauchen keine Wort dafür und auch keine Bewertung. Wichtig ist, die Stimmung zu spüren.
- Wenn Ihnen etwas begegnet, was Sie nicht gut finden – halten Sie einen Moment inne – atmen Sie bewusst durch – und machen Sie sich bewusst: Was ich gerade erlebe, wird stark von meiner Stimmung beeinflusst. Dann versuchen Sie wahrzunehmen, dass Sie – oder jemand Fiktives – das momentan Erlebte ev. auch anders interpretieren könnte.
Dies ist auch eine gute Übung, um leichter mit Gefühlen und Emotionen umzugehen. Sie lernen nämlich einen ganz wichtigen Punkt: Mein Gefühl, meine Emotion (und meine Stimmung) ist nur ein Teil von mir. Zu anderen Zeitpunkten habe ich andere Gefühle – und dann empfinde und handele ich ev. ganz anders. Dies wissen wir – aber es „live“ im Alltag zu beobachten, verändert etwas in Ihnen. Sie werden sich bewusst, dass Sie größeren Einfluss auf Ihre Gefühle haben, als Sie vielleicht meinen.
Wenn ein Gefühl bereits voll aktiv ist, dann ist es sehr schwer, es zu stoppen oder zu ändern. Mit einer längeren Achtsamkeitspraxis geht es (ich selbst schaffe es nicht immer, aber zumindest ab und zu kann ich mich auch bei einem starken Gefühl „stoppen“). Aber auch mit wenig Achtsamkeitspraxis lernen Sie relativ schnell zu spüren: Achtung – hier kommt ein Gefühl. Mit diesem Bewusstsein können Sie üben, das Gefühl nicht voll ausagieren zu müssen.
Wichtig dabei ist jedoch, das Gefühl (oder die Stimmung oder die Emotion) nicht zu kontrollieren, wegzudrängen oder davor zu fliehen. Das Gefühl hat eine Aufgabe – und ich kann Ihnen versichern: Es wird diese Aufgabe erfüllen – mit Ihrer Kooperation oder ohne Ihre Kooperation. Wenn Sie es verdrängen, taucht es später auf. Oder es verwandelt sich. Früher oder später werden Sie sich mit dem Gefühl beschäftigen müssen.
Wenn Sie – z.B. durch Achtsamkeitsübungen – ein Gefühl „heranrollen“ sehen, dann haben Sie die Wahl, völlig in das Gefühl einzutauchen – oder es zu spüren, ohne komplett darin zu versinken. Es erfordert Übung. Aber auch ohne großes Training können Sie zumindest den ersten Schritt dazu tun: Lernen zu realisieren, dass Stimmungen, Emotionen und Gefühle nur ein Teil von Ihnen sind. Wenn Sie beginnen, sich selbst zu beobachten – was habe ich für eine Stimmung? Was für ein Gefühl oder was für eine Emotion ist gerade da? Beeinflusst das meine Sichtweise oder meine Handlung? Dann lernen Sie nicht nur sehr viel über sich selbst, Sie beginnen auch zu sehen, wie Sie selbst Ihre Realität erschaffen – oder zumindest, diese beeinflussen. Dies ist entscheidend, wenn Sie größere Handlungsfreiheit haben möchten.
Wenn Sie lernen möchten, Stimmungen und Gefühle nicht nur wahrzunehmen, sondern mit Hilfe von Achtsamkeit kosntruktiver damit umzugehen, dann empfehle ich das VHS Seminar „Achtsamkeit und Annehmen – Umgang mit heftigen Gefühlen und Stress„. Es findet regelmäßig an verschiedenen Orten in München statt, sowie seit kurzem auch in Germering und Gröbenzell.
Tags:Annehmen, Handlungsfreiheit
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